Mehrgeschoßiger Holzbau

Martin Aichholzer

Der mehrgeschoßige Holzbau ist ein Thema, welches in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Ein bekanntes Beispiel ist die Mustersiedlung im Prinz-Eugen-Park (München). Ein weiteres Beispiel sind die Reinigungshausgründe in Graz. Hier wurde auf sehr hohem Niveau Wohnbau, sogar mit Lehminnenputz, verwirklicht. Ebenso widerlegt das Projekt Dragonerhöfe in Wels die leider noch vorherrschende Meinung, mehrgeschoßiger Holzbau ist kaum durchführbar und wirtschaftlich unrentabel. Hier ist zu erwähnen, dass sich ein 6-geschoßiges Gebäude noch gut umsetzen lässt. Erst ab 7 oder 8 Geschoßen werden Einschränkungen, aufgrund konstruktiver und brandschutztechnischer Anforderungen, bemerkbar.

Mit Ausnahme von Wien, werden in Österreichs Städten, größtenteils 3-4-geschoßige Wohnbauten errichtet. Für diese Gebäude ist eine Bauweise aus Holz ideal geeignet, wie die Projekte „Wohnen 600“ und „Wohnbau Dornbirn“ von Johannes Kaufmann in Vorarlberg sehr gut demonstrieren.  

Die Baumaßnahmenstatistik der Statistik Austria zeigt, dass der Wohnbau ganz klar das Baugeschehen in Österreich dominiert. 63% der neuen Gebäude im Jahr 2019 wurden mit nur einer oder zwei Wohnungen errichtet. 11% der neu-errichteten Gebäude in Österreich waren Wohnbauten mit drei oder mehr Wohnungen und nur 26% der neuen Projekte sind als Nicht-Wohngebäude klassifiziert. Bezogen auf das Bauvolumen ist der Anteil an Nicht-Wohnbau mit 1% verschwindend gering. Der mehrgeschoßige Wohnbau macht, im Hinblick auf die Masse, 70% unter den eingereichten Projekten aus, während der Ein- und Zweifamilienhausmarkt, in diesem Vergleich, gerade einmal 29% ausmacht. Somit wird deutlich, dass das größte Bauvolumen, in Österreich, auf den mehrgeschoßigen Wohnbau fällt. Für diese Sparte eignet sich der Holzbau besonders gut, da zum einen die Errichtung von 3-4-geschoßigen Wohngebäuden sowohl technisch einfach als auch wirtschaftlich rentabel umsetzbar ist und zum anderen, auf diesem Sektor, aufgrund des umgesetzten Bauvolumens, die größte Wirkung erzielt werden kann.

Kriterien des nachhaltigen Wohnbaus
In einer groß angelegten Studie des deutschen Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, in Kooperation mit der TU Darmstadt (Fachgebiet Entwerfen und energieeffizientes Bauen), wurde das Wohnwert-Barometer entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Bewertungssystem für Nachhaltige Wohnqualität, mit dessen Hilfe Wohnungen, Wohngebäude und ganze Wohnanlagen bewertet werden können. In dieser Studie wurden 11 Themen und 43 Kriterien herausgearbeitet – auf der Website www.wohnwert-barometer.de  können diese recherchiert werden.

Zur Bewertung wurden folgende Themen herangezogen und untersucht:

  • Behaglichkeit
  • Flexibilität und Durchmischung
  • Räumliche und gestalterische Qualität
  • Funktionale Qualität – können auch alle
  • Betreiberkosten
  • Nutzerkosten (Gebäudebezogene Kosten)
  • Ressourcenbedarf Gebäude
  • Gesamtauswirkungen Gebäude
  • Prozessqualität
  • Zugänglichkeit
  • Standortqualität und Versorgung

Durch Sichtholz-Oberflächen kann, im Wohnbau, die Behaglichkeit immens gesteigert werden. In der Kategorie der Gebäudebezogenen Kosten kann sich der Holzbau ebenfalls auszeichnen – Stichwort EU Taxonomie. In der Kategorie Ressourcenbedarf Gebäude kann sich der Holzbau natürlich ganz besonders von Gebäuden aus mineralischen Baustoffen hervorheben. Ebenso in der Kategorie Gesamtauswirkung Gebäude sind, in nachhaltiger Holzbauweise errichtete Gebäude, klar im Vorteil. Die Prozessqualität, sowohl in der Planung als auch in der Abwicklung der Baustelle, ist ebenso ein Thema, in welchem der Holzbau besonders gut punkten kann.

Im zwei- oder dreigeschoßigen Holzbau treten in der Regel punkto Statik keine nennenswerten Probleme auf. Bei einem Staffelgeschoß muss entsprechend reagiert werden, was selbst im Holzrahmenbau noch ohne größere Probleme gut funktioniert. Der Liftschacht kann aus BSP herstellt werden, theoretisch sogar in einer Holzrahmenbauweise, da die konstruktiven Ansprüche hier relativ gering sind.  

Bei höheren Bauwerken, beispielsweise beim Viergeschoßer ergeben sich, durch Erdbeben und Windlasten, hohe Horizontalkräfte auf das Sockelgeschoß, dass der Holzrahmenbau tendenziell unwirtschaftlich ist, oder die Planung stark erschwert, da Anschlussdetails komplexer gelöst werden müssen und häufig der vermehrte Einsatz von ingenieurmäßigen Bauteilen, wie zB. diagonale Aussteifungen, notwendig wird. In der Regel wird mehr Holz verbaut und durch den steigenden Materialaufwand, sinkt die Performance der Wärmedämmung. Ab vier Geschoßen kann mit einem Switch in der Konstruktion gearbeitet werden, also mit einem Sockelgeschoß in Massivbauweise – ein Fünfgeschoßer lässt sich kaum mehr ohne Brettsperrholzkonstruktion im Sockelgeschoß umsetzen. In diesem Fall eignet sich ein gemischtes System: Massivholzbau in den/dem unteren Geschoß/en und Holzrahmenbau in den Obergeschossen. Für eine solche Mischbauweise gilt es die Übergänge sinnvoll und so homogen wie möglich zu gestalten. In einer Standard-Beton-Bauweise ist die Planung und Ausführung einfacher, da üblicherweise die Wandstärke im Bereich von 20cm, über alle Geschoße gleichbleibt. Je höher ein Gebäude wird, desto komplexer wird das statische System. Das Forschungsprojekt Achtplus ist eine Kooperation von Schluder Architekten, Uniqua Group, Fachverband der Holzindustrie und pro:Holz Austria, befasst sich mit acht- oder mehrgeschoßigen  Holzgebäuden. Das Projekt stützt sich dabei im Wesentlichen die Entwicklung einer Gebäudetypologie mit mehr als acht Geschossen und entsprechenden Lösungen des Tragwerks inklusive Vorfertigung, Montage, Brand- und Personenschutz. Achtgeschoßer sind eher die Ausnahme im Holzbau, Fünfgeschoßer eher die Regel im Wohnbau. Da ab der Hochhausgrenze, die gesetzlichen und bautechnischen, gerade im Holzbau unproportional steigen, ist man in Wien eher dazu geneigt unter der Grenze von 8 Geschoßen zu bleiben.

Skelettbauweise
Bei der Skelettbauweise wird die Thematik der Vertikallastabtragung besonders sichtbar gemacht, was im Wohnbau jedoch häufig nicht erwünscht ist, deswegen findet er im Wohnbau kaum Anwendung, jedoch wird diese Bauweise attraktiv bei Bauwerken mit entsprechender Höhenentwicklung. Nichtsdestotrotz, kann er auch im Wohnbau eingesetzt werden, nämlich da, wo es ein statisches System aus Stützen und Scheiben gibt (versteckter Skelettbau). Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Konstruktionsart gewisse Vorzüge bildet. Selbst der Vorfertigungsgrad kann hier relativ hoch sein. 

Rahmenbauweise
Im Rahmenbau, wie auch im Massivbau, gibt es die Möglichkeit ein Gebäude aus 2D- Elementen, welche in der Regel durch einen geringen Vorfertigungsgrad gekennzeichnet sind, zu errichten. Im Rahmenbau wird dabei zwischen Kleintafel- und Großtafelbauweise unterschieden. Bei der Kleintafelbauweise handelt es sich um eine nichttragende Ausfachung eines Skelettbaus, die Großtafelbauweise hingegen besteht aus geschoßhohen Wandscheiben, welche das statische System bilden. Im Holzmassivbau wird die Plattenförmige Bauweise in Brettstapel-Bauweise (BSH) und Brettsperrholzbauweise (BSP) unterteilt. Üblicherweise punktet die massive Bauweise, gegenüber der leichteren Rahmenbauweise, wenn es um konstruktive Anforderungen (Statik) geht. Der große Nachteil liegt in der geringen Vorfertigung. Verglichen mit einer Betonfertigteil-Bauweise gibt es nur wenig bis gar keinen Geschwindigkeitsvorteil auf der Baustelle, durch den Einsatz von 2D-Holzelementen. Diese Bauweise lässt höherer Vorfertigungsgrade zu. Bei nicht-tragenden Konstruktionen kann sogar auf eine äußere Platte verzichtet werden – die Winddichtigkeit wird mit einer entsprechenden Folie zwischen Dämmstoff und Hinterlüftungsebene erzielt. Bei einer Dämmung aus Strohballen (siehe Haus des Lernens) dient der Dämmstoff gleichzeitig als Putzträger – dafür entfällt jedoch die Hinterlüftungsebene. Bei einer Industriellen Vorfertigung bietet sich an, die Innenseite mit einer Lehmplatte abzuschließen. Der Hohlraum wird mit einer Einblasdämmung ausgefacht – hier bietet sich Zellulose an und es gibt bereits Versuche Stroh einzublasen.

Massivbauweise
Die massive Scheibe aus Brettsperrholz, die konstruktiv sehr stark ist, wird mit einer Dämmsicht bekleidet und in der Regel verputz. Dies ist ein simpler Aufbau mit geringem Vorfertigungsprozess. Der Massivbau kann sowohl hinterlüftet als auch nicht hinterlüftet errichtet werden. Weiters gibt es die Möglichkeit Massiv- und Holzrahmenbau zu kombinieren, indem der Zwischenraum im Holzrahmen mit einer weichen Dämmung ausgefacht wird, der tendenziell günstiger ist und in der Regel auch hinterlüftet wird.

Raumzellenbauweise
Eine Möglichkeit im Holzbau ist das Bauen mit Raumzellen. Diese Bauweise ist besonders von Vorteil, wenn eine gewisse Gleichförmig vorhanden ist – Beispielsweise bei Studentenwohnheimen, Hotels, etc… Für jene Räume, die einen hohen Vorfertigungsgrad erreichen, insbesondere Nasszellen, kann diese Bauweise kostengünstiger sein, als konventionelle Bauweisen. Tendenziell ist die Raumzellenbauweise aber eher teuer. Für den Wohnbau kann sie für jene Architektur- und Bauschaffende interessant sein, die bereits Erfahrung auf diesem Gebiet sammeln konnten.

Der deutsche Architekt Konrad Wachsmann (1901-1980) hat bereits vor 60 Jahren von der industriellen Vorfertigung am Bau gesprochen. Seine Ideen sind bis heute evident:

 „Das Prinzip der Industrialisierung erfordert die Verlegung der Produktionsstätte von der Baustelle oder dem Werkplatz in die Fabrik. Der Anspruch auf Präzision, Qualität und größte Leistung zu ökonomischen Bedingungen führt zur Vorfabrikation im Sinne einer kompletten Fertigfabrikation aller Teile. Dadurch ergibt sich eine neue Technik des Zusammenfügens der einzelnen Elemente auf der Baustelle. Der Bau wird zur Montage. Ein Vorgang, der sich wesentlich von allen bisher üblichen Methoden des Bauens unterscheidet und nur durch die Industrialisierung bedingt ist.“

Das Wissen von Bau- und Architekturschaffenden, dass sich Prozesse verändern müssen, ist schon lange bekannt. Bauprojekte sind in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden. Dies betrifft sowohl die Planung als auch die Produktion und im Besonderen natürlich den Holzbau.

Gemäß einer Studie des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie aus dem Jahr 2010, liegt im der Materialkostenanteil im Hochbau bei 21,7% – also etwa einem Fünftel. Der Großteil der Kosten fällt auf Lohn- und Personalkosten, wobei davon auszugehen ist, dass der Anteil an unproduktiver Arbeit, durch konventionelle Bauweisen, entsprechend hoch ist. Unter unproduktive Kosten fallen alle Tätigkeiten, die etwas zuerst Produziertes wieder zerstören, wie zB. Stemmarbeiten und Kernbohrungen, durch Unachtsamkeit zerstörtes Material, sowie der Verwaltungsapparat großer Unternehmen. Durch industrielle Vorfertigung ergibt sich ein großes Potenzial, unproduktive Tätigkeiten und Materialverschwendung zu vermeiden und schlankere Firmenstrukturen zu ermöglichen.

Der Wohnbau in Obergrafendorf wurde als Totalunternehmerprojekt ausgeschrieben. In dem Projekt entstehen 80 Wohnungen in 2 Bauschnitten. Das Projekt verfügt über eine gewisse Serialität, sprich es wurde ein Gebäudetyp modelliert, welche sich in allen vier Gebäuden wiederspiegelt. Bei den Gebäuden handelt es sich um drei- bis vier-geschoßige Punkthäuser, die sich, bezogen auf den Baukörper, primär im obersten Geschoß voneinander unterscheiden. Hier konnte, aufgrund der Bauordnung, auf ein herkömmliches (45°-versetztes) Staffelgeschoß verzichtet werden und eine abwechslungsreiche Dachlandschaft geschaffen werden.

Es handelt sich um eine Holz-Hybrid-Bauweise mit einem aussteifenden Kern aus Stahlbeton und einer Außenhülle in Holzrahmbauweise. Die Erschließungszone, welche den mineralischen Kern bildet wurde von der STRABAG als Totalunternehmerin (in Kooperation mit Rubner Holzbau) vorgeschlagen. Selbstverständlich wäre dies, bei nur 4 Geschoßen, auch in Holzmassivbauweise möglich gewesen, doch der Einsatz von Stahlbeton bringt natürlich auch große statische Vorteile für den Holzbau, der den Kern umschließt.

Da bewusst darauf verzichtet wurde, ohne Keller und ohne Tiefgarage auszukommen, mussten, die somit verlorenen Stauräume, ebenfalls im Erschließungskern, außerhalb der Wohneinheiten, in allen Geschoßen, untergebracht werden. Durch die L-förmige Erschließung, konnte ein 6-Spänner entstehen, welcher mit wenig Erschließungsfläche auskommt. Um die Erschließungszone herum, bilden die Nass- und Versorgungszellen die zweite Zone, mit tragenden Wänden und dahinter, als dritte Zone, wurden die Wohnräume angeordnet.

In einer Siedlung in der Baranygasse, erhielt das Architekturbüro MAGK ZT GmbH die Chance eines von 5 Punkthäusern, in Holzbauweise zu errichten. Dieses Gebäude ist eine 1:1 Kopie eines Stahlbetonbaus, wodurch die Planung erheblich erschwert wurde. Eine der Vorgaben an die Architekten war, nichts an der Grundstruktur und den Räumen zu verändern – die Geometrie musste um jeden Preis gleichbleiben. Das Endergebnis war ein von außen identisches Gebäude, mit gleichen Wohnungen, gleichen Werten im Energieausweis und derselben Gesamtperformance mit dem Unterschied, dass die Wohnungen in Holzbauweise im Schnitt um 3% größer sind, da die Außenwände schlanker sind. Das Gebäude wird durch eine relativ einfache Grundstruktur gebildet. Es handelt sich um Vier- oder Dreispänner, je nachdem, wie die Wohnungen geschalten sind, welche über ein gut belichteten, zentralen Zugang erschlossen sind. Die weit-auskragenden Balkone werden durch eine zusätzliche Stahlstütze getragen.

Die Tiefgarage war vorgegeben beziehungsweise bereits vorhanden. Das zurückgesetzte Staffelgeschoß muss natürlich konstruktiv abgefangen werden. Hierfür war ursprünglich eine Holzkonstruktion angedacht. Da die Ausführung jedoch zu komplex war, wurde für diese Aufgabe eine Stahlkonstruktion gewählt. Ab der Bodenplatte, mit Ausnahme der Stiegenläufe, wurde kein mineralisches Material in der Rohkonstruktion verwendet. Im Bodenaufbau musste jedoch auf Zementestrich zurückgegriffen werden. Kleine Balkone wurde mit einem Seil innerhalb des Geländers zurückgehängt, größere Balkone wurden mit einer Formrohrkonstruktion gestützt. Die Aussteifung war anfänglich mit Diagonalen geplant, später wurde in die Holzrahmenwand eine dünne Brettsperrholzwand eingefügt, welche die Aussteifung übernimmt. Das Projekt war ein Versuch für die Auftraggeber, die Kosten langen bei etwa 10% mehr als beim Betonbau, was größtenteils daran lag, dass die Potenziale des Holzbaus kaum genutzt werden konnten. Im Holzbau sollte immer unterschieden werden zwischen den substanziellen Bestandteilen des Gebäudes (tragende Elemente) und jenen Elementen, die ausgetauscht werden können. Beispielsweise wurden die Balkonplatten, beim Projekt Baranygasse, so geplant, dass sie mit Schwertern an Kopplungspunkten aufgehängt sind, wodurch sie sich leicht vom Gebäude trennen lassen.

Ein beliebtes statisches System für hohe Mehrgeschoßer in Wien, ist eine Konstruktion, bestehend aus einem mineralischen Kern (häufig das Stiegenhaus), schubsteifen Decken (BSP), Stützen und Unterzügen. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren auch konventionelle Bürobauten. Die Grundrisse werden durch nichttragende leichte Elemente gebildet, wodurch die Flexibilität enorm erhöht werden kann.

Bei dem Projekt Haus des Lernens (St. Pölten, MAGK 2018) wurde Grundstruktur ähnlich geplant: Brettsperrholz-Platten bilden den Kern, über den Großteil der Gebäudelänge, der sich nach außen hin in eine Skelett-Struktur auflöst. Dadurch ist eine sehr gute Grundsteifigkeit gewährleistet, und ermöglicht, an der Außenwand mit Leichtelementen und ökologischen Materialien zu arbeiten.