Bauen und Sanieren mit Stroh
Erwin Schwarzmüller
Der Einsatz von Stroh im Bauwesen ist unter dem Gesichtspunkt von Bauphysik, Baubiologie und Bauchemie entsprechend zu dimensionieren. Hierbei ist selbstverständlich auf die Sicherheit der Nutzer*innen und des Gebäudebestands zu achten, sowie auf den Komfort und die Gesundheit der Bewohner*innen. Ebenso ist auf eine ressourcenschonende Bauweise, ökologische Verträglichkeit sowie die Sicherheit der Investitionen zu achten.
Die statische Wirksamkeit von Strohballen wurde in Belgien testet. Dafür wurde die CUT Technik angewandt – eine Technik, bei der die beidseitig verputzten Strohballen (wind)aussteifende Funktionen übernehmen und ein Holzgefach für zusätzliche Abtragung statischer Lasten sorgt [1]. Für eine Baulänge von 4m ist das System mit 30 Tonnen Auflast und 6 Tonnen seitlicher Windlast getestet worden und hielt ohne Zerstörungen stand. Trotz der guten statischen Eigenschaften werden Strohballen in der Regel nicht als statisch eingesetzt und als wirksam berechnet. Der Grund dafür ist, dass die Festigkeit von Stroh als tragender Baustoff nicht kalkulierbar gesichert ist. Die ältesten Gebäude aus Strohballen stehen bereits seit mehr als 150 Jahren. Sie wurden kurz nach der Einführung der Strohballenpresse errichtet.
Besonders in Nebraska verbreitete sich diese Bauweise sehr schnell, da wenig Holz und Lehm verfügbar war [2].
Heute finden wir zeitgenössische Gebäude aus Stroh in den USA, in Kanada und Großbritannien. Einer der europäischen Pioniere auf dem Gebiet Strohbau ist der Schweizer Architekt Werner Schmidt , der bereits Projekte in der Schweiz, in Italien und Slowenien verwirklicht hat [3].
In Österreich befasst sich Virko Kade [4] seit über 20 Jahren mit der Thematik. Ein bekanntes Beispiel für ein Gebäude aus Strohballen wurde vom Vorarlberger Architekten Georg Bechter in Dornbirn geplant [5].
Es gibt experimentell Bauwerke aus Stroh, wie Strohgewölbe oder Strohdome. Beispielsweise der Strohdom in Hruby Sur bei Bratislava von Gernot Minke und Zuzana Kierulvova [6].
[1] https://baubiologie.at/strohballenbau/cut-technik/
[2] https://stroh-paille-paglia.ch/geschichte/
[3] https://www.atelierschmidt.ch/
[4] https://www.strohballenbau.info/
[5] https://bechter.eu/strohhaus/1e-de#Slides/1
[6] https://baubiologie.at/strohballenbau/architekturbro-im-strohballen-hobbit-kuppelbau-3/
Die Brandversuche in Kleinbrennertest wurde zu Beginn der 2000er Jahre in Österreich abgeschlossen und ergab insgesamt ein sehr gut kalkulierbares Brandverhalten von Stroh. Stroh ist im verdichteten Zustand (≥ 100kg/m³) als B2 „normal entflammbar“ klassifiziert. Seit 2010 liegt eine Zulassung des Baustoffs vor. Auch internationale Versuche zeigen recht hohe Brandwiderstände. Im norddeutschen Verden wurde beispielsweise 2014 das erste fünfgeschoßige Strohballenhaus in Passivhausbauweise errichtet und trägt die Feuerwiderstandsklasse REI encapsuled 2x120min im öffentlichen Bereich.
Der Brandschutz ist durch zertifizierte Strohballen gegeben, allerdings gibt es in Österreich nur zwei Hersteller (Sonnenklee [7] und Markus Grubmüller [8]) wodurch es zu Lieferengpässen kommen kann.
Gemäß ÖNORM EN 13501-1 entspricht Stroh (wenn gepresst) der Baustoffklasse E (hinnehmbarer Beitrag zum Brand) [9]. Somit ist Stroh in der gleichen Kategorie einzuordnen wie EPS, XPS oder PUR-Dämmstoffe. Der Architekt Peter Schubert leitete bis 2022 das Forschungsprojekt „Urban Straw“ und erzielte in Versuchen, durch Additive die Baustoffklasse C.
In St. Dieu (Frankreich) wurden ein siebengeschoßiges Strohgedämmtes Holzhaus errichtet [10]. Hier wurden Fertigteile verwendet, welche zum Teil in Österreich, von der Firma Rubner, hergestellt wurden.
[7] https://www.sonnenklee.at/natuerliche-daemmstoffe/baustroh/
[8] http://www.grubmueller.net/
[9] https://www.sonnenklee.at/natuerliche-daemmstoffe/baustroh/produktinfo-stroh-einblasdaemmung/
[10] https://strawbuilding.eu/7-storey-modular-building-in-st-die-des-vosges/
Das relativ hohe Gewicht von 110kg/m³ – 130kg/m³ schafft gute Voraussetzungen für Luftschallschutz. Versuche durch die GrAT [11] haben einen Schalldämmwert von >46dB ergeben. Durch stärkere Putzschichten können auch bautechnisch höhere Werte bis 54dB erreicht werden.
[11] https://www.grat.at/
Als eines der Hauptargumente, gegen das Bauen mit Stroh, wir häufig die Gefährdung durch Schimmelpilz, Nagetiere oder Insektenbefall vorgebracht. Hierzu ist zu sagen, dass Stroh von Natur aus gut geschützt ist gegen Schimmelbefall, selbst in einer feuchten Umgebung. Stroh besteht zu über 20% aus Silikat und eine natürliche Wachsschicht der Halme schützt den Baustoff zusätzlich. Es ist allerdings darauf zu achten, das Stroh in der gesamten Verarbeitungskette vor Feuchtigkeit zu schützen.
WUFI® Bio [12], eine Simulationssoftware des Fraunhofer Instituts welche zur Berechnung von Kondensatbildung eingesetzt wird, liefert für beidseitig verputzte Strohwänden eine hohe Prognosesicherheit gegenüber Schimmelbefall. Die Hauptbelastung für außenliegende Wände liegt in der Schlagregenbelastung. Hierauf kann zum Beispiel mit hinterlüfteten Aufbauten, oder mit hydrophobierten Putzen reagiert werden. Bei der Verwendung von hydraulischen Luftkalk-Putzen ist darauf zu achten, dass diese mit einem wasserabweisenden Silikatanstrich versehen werden müssen. Sumpfkalk hingegen benötigt diese Silikatanstriche nicht, da sich dieser selbst abdichtet und somit keine feinen Haarrisse bekommt, welche sich für Wassereintritte verantwortlich zeichnen. Dieser Putz kam zum Beispiel beim Strohdom in Kerschdorf, in der Nähe von Velden (Kärnten) zum Einsatz [13].
In der natureplus-Datenbank (www.natureplus.org) findet sich derzeit noch kein Eintrag für Stroh als Bau- und Dämmstoff. Da Stroh in direktem Zusammenhang mit der Nahrungsmittelgewinnung steht, ist davon auszugehen, dass die Pestizidbelastung sehr gering ist. Darüber hinaus gibt es in der Regel keinen Austausch zwischen Gebäudenutzer*innen und dem verbauten Stroh.
[12] https://wufi.de/de/2017/03/31/wufi-bio/
[13] https://baubiologie.at/strohballenbau/strohballendom-in-kerschdorf-velden-am-woerthersee/
Stroh ist ein Koppelprodukt der Getreideproduktion und steht in ausreichenden Mengen zur Verfügung. Allerdings ist es notwendig, zertifizierte Produkte zu verwenden. Da es in Österreich, wie bereits erwähnt, nur zwei Hersteller für zertifizierten Baustroh gibt, kann es hier natürlich zu Engpässen kommen.
Die Erwartung, durch Stroh kostengünstiger zu bauen als mit konventionellen Baustoffen, wird in der Praxis leider nicht erfüllt. Zertifizierter Baustroh kostet um ein Vielfaches mehr als der nicht-zertifizierte Rohstoff. Tatsächliche Einsparungen erzielen häufig nur jene Bauherren, die sich konsequent selbst, mit ihrer Eigenleistung, an der Errichtung des Gebäudes beteiligen.
Die Entsorgung des Baustoffs ist in der Regel problemfrei. Stroh kann wiedergenutzt, kompostiert oder thermisch verwertet werden. Somit ist Stroh sehr gut kreislauffähig. Leider wird bislang der gesellschaftliche und gemeinwirtschaftliche Nutzen der Strohbauweise nicht honoriert. Dabei gäbe es viele positive Aspekte, welche gefördert werden könnten: Die langfristige Bindung von CO2, die Verringerung von Importabhängigkeiten und Transporten sowie die Sicherung und den Ausbau von Arbeitsplätzen für die österreichische Wirtschaft.
• Untersuchung der statischen Qualitäten von Stroh in diversen Bindungsformen zur Entwicklung wirtschaftlicher Bauweisen.
• Übernahme aktueller internationaler Erkenntnisse und Entwicklungen
• Anerkennung des Treibhaus-wirksamen Beitrags von Stroh in volkswirtschaftlicher Hinsicht und Einbeziehung des Aspektes in die Förderlandschaft und in politische Entscheidungen
• Ökonomische Bewertung des Beitrags zur Kreislaufwirtschaft unter den Aspekten: Arbeitsplatz Erhalt, Regionalität, Entlastung von Rohstoffimporten, Vermeidung von Transporten und Deponierung.
Pioniere im Strohbau
In Frankreich ist Olivier Gaujard einer der Pioniere auf dem Gebiet des Strohbaus. Gaujard war Assistent von Professor Natterer an der EHT Zürich, hat nie sein Diplom gemacht, sondern gleich seine Firma „gaujard technologies scop“ gegründet und den Holzbau in Frankreich stark propagiert und entwickelt.