geschichte der nachhaltigkeit

Martin Aichholzer

„Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Das betrifft ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. Es geht also um einen verantwortungsbewussten Umgang mit den endlichen Ressourcen auf unserer Erde, damit heutige und künftige Generationen weltweit ein lebenswertes Leben – entsprechend ihrer Bedürfnisse – führen können.“ [1]

In der heutigen Gesellschaft spielt Nachhaltigkeit eine signifikante Rolle. Besonders nachhaltiges Bauen gewinnt zunehmend an Bedeutung durch die immer noch aktuell bestehenden Herausforderungen des Klimawandels, die steigende Bevölkerungszahl und  den steigenden Ressourcenverbrauch. Wichtige Kriterien des nachhaltigen Bauens sind Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz und Schonung der Ressourcen. Der Grundgedanke der Nachhaltigkeit kam erstmals im 18. Jahrhundert im Zusammenhang der Forstwissenschaften auf. So wurde der Gedanke des nachhaltigen Nutzens 1713 von Hans Carl von Carlowitz ausgesprochen. Dabei bezog er sich auf die Bewirtschaftung der Wälder. Die Ressource Holz sollte demnach nur so viel aus den Wäldern entnommen werden, wie dementsprechend nachwachsen kann.[2] Die Idee von Nachhaltigkeit im Allgemeinen setzte sich trotzdem erst sehr viel später durch. In diesem Artikel wird ein kurzer Überblick zur Verbreitung des ökologischen Denkens sowie zur generellen Entwicklung der Nachhaltigkeit gegeben.


[2] Brüggemeier, F. J. (2012). Nachhaltigkeit – Ein historischer Überblick. Friedrich-Ebert-Stiftung, Online-Akademie.

Mit der Industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert geriet der anfängliche Grundgedanke der Nachhaltigkeit in Vergessenheit. Die Industrialisierung führte unter anderem zum Einsatz von Maschinen und der Entstehung von Massenproduktionen. Der dadurch ausgelöste Wandel von der bisherigen Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft geschah in einem rasanten Tempo. Es wurden vermehrt große, kommerzielle Gebäude aus Stahl und Beton gebaut. Nachhaltige Baumaterialien und -techniken wurden dagegen vernachlässigt und im Zuge des starken Bevölkerungswachstums die Urbanisierung unaufhaltsam vorangetrieben. Der wachsende Energiebedarf sowie die Implementierung neuer Baumethoden wirkten sich außerdem negativ auf die Umwelt aus. Die Freisetzung vermehrter Abgase und Schadstoffe sowie die Ausbeutung natürlicher Ressourcen nahm drastisch zu. Der Wandel hin zur Industriegesellschaft führte nicht nur zu sozialen Umwälzungen, sondern auch zu einer tief greifenden Transformation des gesamten Wirtschaftssystems, mit negativen Folgen für die Umwelt. Während der Fokus auf schnellem Wachstum lag, begann das Bewusstsein für die Auswirkungen der Industrialisierung auf die Umwelt erst im frühen 20. Jahrhundert zu wachsen. Nach den beiden Weltkriegen rückte wiederum der schnelle Wiederaufbau in den Vordergrund. Mit dem steigenden Wohlstand und dem Aufstieg des Konsums in den 1950er Jahren schien der Gedanke an Nachhaltigkeit in Vergessenheit geraten zu sein. 

Dank der Publikation „Silent Spring“ von der Biologin Rachel Carson begann 1962 jedoch ein allmählicher Wandel im Denken und Bewusstsein. „Silent Spring“ gab Anlass zu öffentlichen Diskussionen über Umweltprobleme und die Notwendigkeit eines bewussteren Umgangs mit der Natur. Carsons Bestseller löste eine heftige Debatte über den Einsatz von DDT aus, in deren Folge wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte, dass sich das Insektizid über die Nahrungskette unkontrollierbar verbreitete und bis in den Menschen gelangte. Dies reichte der amerikanischen Umweltbehörde, um den Gebrauch von DDT 1972 als erstes Land weitestgehend zu verbieten.[3]

Abb. 1: Meilensteine zur ersten Verbreitung des ökologischen Denkens

Rachel Carson – „Silent Spring“
Die Veröffentlichung von „Silent Spring“ 1962 löste eine Welle des Umweltbewusstseins aus und unterstützte die Entstehung und Festigung der Umweltbewegung. Im Buch wurden die verheerenden Auswirkungen von Pestiziden auf die Umwelt enthüllt. Es war für die amerikanische Bevölkerung ein Weckruf für den Schutz der Natur und die Anerkennung der menschlichen Verantwortung gegenüber der Umwelt. Mit der Aufarbeitung des Themas in einer romanähnlichen Art und der Übermittlung komplexer Zusammenhänge auf verständliche Weise konnte die Biologin Rachel Carson den Großteil der Bevölkerung erreichen und für naturwissenschaftliche Themen begeistern. 

„Silent Spring“ beschreibt die negativen Auswirkungen des Insektizids DDT sowie anderer Pestizide auf die Umwelt und die darin lebenden Organismen. Carson argumentierte, dass der intensive Einsatz dieser Chemikalien zu einer verheerenden Dezimierung der Vogelpopulationen und einer schleichenden Vergiftung der Umwelt führte. Sie zeigte die dunklen Seiten des technologischen Fortschritts und der chemischen Industrie auf und wies dabei auf die Notwendigkeit hin, die ökologischen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten zu berücksichtigen. Mit ihrem Buch mobilisierte sie zahlreiche Menschen. Sie schuf ein neues Bewusstsein für die Verletzlichkeit und Vergänglichkeit der Umwelt. Die Veränderung der Umwelt durch das Fehlverhalten von Menschen wurde öffentlich diskutiert. Die amerikanische Bevölkerung begann, ihre eigenen Verhaltensweisen und den Einsatz von Chemikalien in Frage zu stellen.[4] Carsons Buch verursachte zudem eine breite politische Debatte und hatte direkten Einfluss auf die politische Landschaft der Vereinigten Staaten. Gesetze und Vorschriften zur Begrenzung des Einsatzes von Pesitziden und zum Schutz der Umwelt wurden eingeführt. Darüber hinaus war die Publikation ein wichtiger Impuls für die Entstehung der Environmental Protection Agency (EPA) im Jahr 1970, einer US-Behörde, die für den Schutz der Umwelt und die Umsetzung von Umweltgesetzen zuständig ist.

Paul Ehrlich – „The Population Bomb“
1968 veröffentlichte Paul Ehrlich sein Buch „The Population Bomb“, in dem er vor den potenziellen Auswirkungen einer exponentiell wachsenden Weltbevölkerung auf die Umwelt und den limitierten Ressourcen warnt. Der Biologe und Umweltaktivist war besorgt über die rapide wachsende Weltbevölkerung. Er argumentierte, dass dieses Wachstum die natürlichen Ressourcen überfordern würde und zu einer ökologischen Krise führen könnte. Durch die Publikation stieg das Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Bevölkerungswachstum und nachhaltiger Entwicklung. Trotz der Kritiken, Ehrlichs Thesen seien überspitzt, führte seine Arbeit zu einem breiteren Bewusstsein für die begrenzten Ressourcen der Erde und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Nutzung. Zur Lösung des Problems fokussierte Ehrlich sich unter anderem auf die Bedeutung der Familienplanung und der Förderung von Frauenrechten als Instrument zur Bewältigung des stetig steigendem Bevölkerungswachstums.[5]

[3]  Paull, J. (2013). The Rachel Carson Letters and the Making of Silent Spring. SAGE Open, 3(3). https://doi.org/10.1177/2158244013494861

[4]  Carson, R. (1962). Silent Spring. Houghton Mifflin.

[5] Ehrlich P. 1968. The Population Bomb. New York: Ballantine Books.

Ein besonderes Jahr zur Hinwendung eines kollektiven, ökologischen Denkens war das Jahr 1969. So erreichte die Bewegung in Richtung einer Erdpolitik ihren Höhepunkt. Ernst Ulrich von Weizsäcker prägte diesen Begriff und verband damit die weltweite (globale) Umweltpolitik.[6] 1969 ist mit den Studentenbewegungen sowie den Auflehnungen gegen Regierungen und deren Politik sowohl politisch als auch gesellschaftlich ein immens bedeutendes Jahr. Auf der einen Seite  führte die zunehmende Entwicklung und Nutzung neuer Produkte wie neuer Dünger oder anderweitiger chemischer Entdeckungen zu weiteren Umweltbelastungen. In dieser Zeit löste das Öl den bisherigen Energielieferanten Kohle ab und ermöglichte weiteren Wachstum, führte allerdings auch zu neuen Umweltbelastungen. Die Luft- sowie die Wasserverschmutzung in den Städten nahm zu. Auf der anderen Seite wurde die nachhaltige Entwicklung angetrieben. Die Anti-Atomkraft-Bewegung rückte zunehmens in die Öffentlichkeit. Die breite Bevölkerung begann sich direkt mit den Folgen des rasanten Wachstums und dessen negativen Auswirkungen auf die Umwelt auseinanderzusetzen. Der Rückgang des Kolonialismus und der starke Umschwung in Politik und Wirtschaft führte zu einem Umdenken in der Bevölkerung. Durch den aufrüttelnden Bericht des Club of Rome zum Beispiel und die Häufung der Umweltkatastrophen erreichten die Umweltdebatten ihren bisherigen Höhepunkt und man begann sich direkt damit auseinander zu setzen, welche Verantwortung der Mensch gegenüber der Umwelt hat.[7]

[6] Weizsäcker, E. U. von. (1997). Erdpolitik: ökologische Realpolitik als Antwort auf die Globalisierung (5. Aufl.). Darmstadt: Primus-Verl.

[7] Brüggemeier, F. J. (2012). Nachhaltigkeit – ein historischer Überblick. Friedrich-Ebert-Stiftung, Online-Akademie.

In den 1970er erreichte die ökologische Revolution ihren Höhepunkt. Ein bedeutendes Ereignis war die Gründung des Earth Day, der erstmals am 22. April 1970 stattfand. Der Earth Day wurde als Reaktion auf die zunehmende Umweltverschmutzung und den Mangel an Umweltschutzgesetzen ins Leben gerufen. Es war ein Tag, an dem Menschen weltweit zusammenkamen, um für Umweltschutz und die Förderung nachhaltiger Praktiken zu demonstrieren.[8] Der Tag war ein Katalysator für die ökologische Revolution und trug dazu bei, Umweltschutzfragen auf die politische Agenda zu setzen. Es folgten die Einführung wichtiger Umweltschutzgesetze. Mit diesem Tag wurde das Bewusstsein für die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Gesellschaft gefördert.

Darüber hinaus gewannen auch Konzepte des ökologischen Bauens und der nachhaltigen Architektur an Bedeutung. Architekten und Ingenieure begannen, nachhaltige Prinzipien in ihre Entwürfe zu integrieren und den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu minimieren. Es wurde vermehrt auf erneuerbare Energien, energieeffiziente Bauweisen und umweltfreundliche Materialien gesetzt. Das Buch „Das gesunde Haus: Unser Naturschutz“ von Hubert Palm aus dem Jahr 1968 ist beispielsweise ein bedeutendes Werk im Bereich des Naturschutzes und der Architektur. In dem Buch beschäftigt sich der Autor mit verschiedenen Aspekten des Hausbaus und zeigt auf, wie man ein ökologisch und gesundheitlich unbedenkliches Haus entwerfen und bauen kann. Palm legt einen Schwerpunkt auf die Verwendung natürlicher Materialien, auf energiesparende Bauweisen und die Integration von Architektur in die natürliche Umgebung.[9] 

Historische Ereignisse

Entwicklung des Nachhaltigkeitsverständnisses

Entwicklung der Nachhaltigkeitsbewertung im Bauwesen

Entwicklung des Gesundheitsschutzes im Bauwesen

1960

1961
Contergan Skandal

1962
Silent Spring Carson

1968
Hubert Palm „Das gesunde Haus“

1969
B. Fuller „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“

1970

1973
erste Ölkrise

1972
D. Meadows et al.
„Die Grenzen des Wachstums“

1974
Einführung des kumulierten Energieaufwands (KEA)

1978
Gründung des dt. Umweltministeriums

1980

1980er Waldsterben

1987
Unsere gemeinsame Zukunft
Brundtland Bericht

1980
Gründung der ARGE forschender Umwelt-Institute AGÖF

1986 Tschernobyl

Tab. 1: Historische Ereignisse und Ereignisse zur Entwicklung des Ökologischen Gedankens von 1960 – 1986[10]

Der 1972 veröffentlichte, erste Bericht des Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ hatte einen großen Einfluss auf die Bevölkerung. Der Club of Rome warnte vor den Grenzen des Wachstums. So prognostizierten Dennis Meadow und sein Team anhand von Computermodellen, dass die Ressourcen des Planeten zukünftig nicht unbeschränkt vorhanden sein werden.[11] Sollte sich der Lebenswandel der Menschen nicht ändern, so wären die wichtigsten Ressourcen in kurzer Zeitspanne verbraucht. Trotz der Kritiken bezüglich Genauigkeit und fehlender Variablen in den Computermodellen führte der Bericht zu einer steigenden Aufmerksamkeit gegenüber Nachhaltigkeit und Wachstum.[12]

Die beiden Ölkrisen 1973 und 1979/80 waren weitere wichtige Wendepunkte für den Nachhaltigkeitsgedanken. Die Krisen wurden durch politische Spannungen im Nahen Osten verursacht und führten zu einem drastischen Anstieg der Ölpreise und zu Energieengpässen in vielen Ländern. Sie zwangen Menschen und Regierungen dazu, über ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nachzudenken und alternative Energiequellen zu suchen.[13] Dies führte zu einem verstärkten Interesse an Energieeffizienz und erneuerbaren Energien im Baubereich, sodass Architekten und Ingenieure neue Ansätze entwickelten, um diese Ziele zu erreichen. Ein Ergebnis dieser neuen Denkweise war eine verstärkte Nachfrage nach energieeffizienten Gebäuden. Das Konzept der Passivhausarchitektur gewann an Popularität, bei dem durch eine ausgeklügelte Gebäudehülle und intelligente Energienutzung ein sehr geringer Energiebedarf erreicht wird. Die Gebäude wurden besser isoliert, um den Wärmeverlust zu minimieren, und es wurden effiziente Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen eingesetzt. Ziel war es, den Energieverbrauch zu reduzieren und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.

[8] https://www.earthday.org/history/

[9] Palm, H. (1992). Das gesunde Haus: das kranke Haus und seine Heilung ; unser nächster Umweltschutz ; die biologische Bauordnungslehre in der Architectura perennis ; die Zivilisationskrankheiten der Architektur ; ein Rezeptbuch zum Selberhandeln. Reichl Verlag.

[10] Vorlage für Tabelle aus dem Vortrag von M. Aichholzer „Grundlagen – Geschichte“ vom 9.4.21 (S.10)

[11] https://www.clubofrome.org/history/ 

[12] Colombo, U. (2001). The Club of Rome and sustainable development. Futures. https://doi.org/10.1016/S0016-3287(00)00048-3

[13] Fischer, E. (2014). Ölkrisen und ihre Folgen. In: Unzerstörbar. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-37735-8_6

Der amerikanische Ökonom Herman Daly formulierte 1978 das Konzept der Steady-State Economy („Die stationäre Wirtschaft“). Es basiert auf der Idee, dass das gegenwärtige Wirtschaftswachstum und die unendliche Ausbeutung natürlicher Ressourcen nicht nachhaltig seien und somit langfristig zu ökologischen sowie sozialen Problemen führten. Aus diesem Grund hält Daly eine alternative Wirtschaftsweise für notwendig, die das Gleichgewicht mit der Natur wiederherstelle und gleichzeitig die menschlichen Bedürfnisse befriedige, ohne die natürlichen Grenzen der Erde zu überschreiten.

Abb. 2: Änderungen der limitierenden Faktoren[14]

Das Hauptprinzip seines Konzepts sieht vor, dass das menschliche Wirtschaften auf ein Maß zu begrenzen sei, das innerhalb der Tragfähigkeit der Erde liege und somit nachhaltig ist. Die Wirtschaft müsse sich vor allem auf erneuerbare Ressourcen beschränken sowie den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen auf ein Maß reduzieren, das die natürliche Regenerationsrate ermöglicht (s. Abb.2).

Sobald die Tragfähigkeit der Erde erreicht sei, müssten sowohl Bevölkerungszahl als auch ein durchschnittlicher Lebensstandard auf einem nachhaltigen Niveau festgelegt werden. Das hieße, die Bevölkerung sollte sich auf einem stabilen Niveau einpendeln, das mit den verfügbaren Ressourcen und der Umwelt in Einklang steht. Des Weiteren spricht Daly von einer Kreislaufwirtschaft, in der geschlossene Kreisläufe für Ressourcen geschaffen werden, um diese effizient nutzen zu können. Der Dreh- und Angelpunkt seines Konzepts basiert dabei auf der Frage des Maßstabs.[15]

Abb. 3: Vergleich und Ausmaß zwischen einer sogenannten Empty World und Full World.[16]

Erneuerbare Ressourcen dürfen nur in dem Maße verwendet werden, wie sie sich regenerieren können. Das betrifft sowohl die Ressourcenentnahme als auch die Abfallemissionen. Nicht erneuerbare Ressourcen dürfen nur in dem Maße weiter ausgebeutet werden, wenn erneuerbare Alternativen geschaffen wurden. Dazu zieht Daly den Vergleich einer Full und Empty World (Abb. 2 & 3), einer vollen und leeren Welt. In der leeren Welt ist die Wirtschaft zum umgebenden Ökosystem relativ klein. Die Ausbeute mit alten Technologien betrug nur einen kleinen Anteil, zudem war die Bevölkerungsanzahl geringer, sodass mehr Zeit und Raum für eine Regeneration vorhanden waren. In der vollen Welt nimmt die Wirtschaft fast vollständig das Ökosystem ein, womit es keinen Raum und keine Zeit für Erneuerungen gibt.

Daly betont insbesondere die langfristige Nachhaltigkeit in seinem Konzept. Die stationäre Wirtschaft ist eine Wirtschaftsform, die in Balance zu den begrenzten Ressourcen existiert und zugleich Umweltbelastungen minimiert. Nicht das stetige Wachstum und der konstante Konsum sind das Ziel der Steady-State Economy, sondern die Verbesserung der Lebensqualität.

[14] Daly, H. E. (2015). Economics for a Full World. Great Transition Initiative. http://www.greattransition.org/publication/economics-for-a-full-world.

[15] Daly, H. E. (1997). Beyond growth: The Economics of Sustainable Development. Beacon Press.

[16] Daly, H. E. (2015). Economics for a Full World. Great Transition Initiative. http://www.greattransition.org/publication/economics-for-a-full-world.

Der Brundtland-Bericht, offiziell bekannt als „Our Common Future“, wurde 1987 von der World Commission on Environment and Development (WCED) unter der Leitung von Gro Harlem Brundtland veröffentlicht. Der Bericht wurde von den Vereinten Nationen in Auftrag gegeben und war ein wegweisendes Dokument im Bereich der nachhaltigen Entwicklung.[17]

Der Brundtland-Bericht beschäftigte sich mit den drängenden Herausforderungen der Umweltzerstörung, der Armut und der sozialen Ungerechtigkeit und argumentierte, dass diese Probleme miteinander verbunden seien und nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Er prägte den Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ und definierte ihn als Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Die zentrale Aussage des Berichts war, dass es möglich sei, wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit zu erreichen, ohne die Umwelt zu schädigen. Er betonte die Bedeutung eines integrierten Ansatzes, der ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte in Einklang bringt.

Der Brundtland-Bericht legte auch die Verantwortung der Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft dar, gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Es wurde betont, dass nachhaltige Entwicklung eine langfristige Vision erfordere und dass dringende Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die Umweltzerstörung und die Armut zu bekämpfen. Der Bericht hatte einen erheblichen Einfluss auf die internationale Umweltpolitik und führte zu einer verstärkten Anerkennung der Bedeutung von Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung auf globaler Ebene. Er war zudem wegweisend für die Agenda 21, die auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 verabschiedet wurde und einen Aktionsplan für nachhaltige Entwicklung auf globaler, nationaler und lokaler Ebene darstellt.

Der „Erdgipfel“, auch bekannt als UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung, fand 1992 in Rio de Janeiro, Brasilien, statt und wurde offiziell als „United Nations Conference on Environment and Development“ (UNCED) bezeichnet. Dieses historische Treffen brachte Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt zusammen, um über dringende Umwelt- und Entwicklungsfragen zu diskutieren.

Die Hauptziele des Erdgipfels in Rio waren die Förderung nachhaltiger Entwicklung und der Schutz der Umwelt. Zu den wichtigsten Themen, die diskutiert wurden, gehörten der Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt, die Entwaldung, die Wasserverschmutzung, die Armut und die soziale Ungerechtigkeit. Die Konferenz brachte außerdem Vertreter der Zivilgesellschaft, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler zusammen, um Ideen und Lösungen einzubringen. Während des Gipfels wurde die „Agenda 21“ verabschiedet, ein Aktionsplan, der Strategien zur Förderung nachhaltiger Entwicklung auf globaler, nationaler und lokaler Ebene enthält. Die Agenda 21 betont die Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit und der Beteiligung aller Gesellschaftsschichten, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.[18] Der Erdgipfel in Rio war ein Meilenstein in der globalen Umweltpolitik und hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für die drängenden Umweltprobleme zu schärfen und internationale Anstrengungen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung zu intensivieren.

 

Historische Ereignisse

Entwicklung des Nachhaltigkeits- verständnisses

Entwicklung der Nachhaltgkeitsbewertung im Bauwesen

Entwicklung des Gesundheitsschutzes im Bauwesen

1990

1991 Ölpest/Pers. Golf

1992 Erdgipfel in Rio

1990 Einführung BREEAM-Zertifizierung

1990 generelles Asbestverbot f. Neuprodukte (CH, AT)

 

1997 El Niño – südliche Oszillation

1993 Faktor 10: Das Maß für ökol. Wirtschaften

1991 erstes Passivhaus (D) & Minergie Label (CH)

1992 Ausweisung der MAK-Werte

 

1999 Orkan Lothar

1994 Faktor 4: Doppelter Wohlstand halbierter Naturverbrauch

1994 Einführung LEED-Zertifizierung (US)

1993 Gründung der Ad-Hoc-Arbeitsgruppe zur Schadstoffbewertung & Chem. Verbotsordnung

 

 

1997

Beschluss des Kyoto-Protokols

 

 

2000

2002 Elbhochwasser

2002 Weltgipfel in Johannesburg

2000 Einführung der Ökobilanzmethodik

2000 Entwicklung des AgBB-Schemas

 

2005

Hurricane Katrina

2005

Inkrafttreten des 1997 beschlossenen Kyoto-Protokolls

2001

Definition von Umweltkennzeichnungen

2004

Ausweisung der AGÖF-Orientierungswerte (Luftqualität)

 

2007

Orkan Kyrill

2007 Friedens-nobelpreis für Intergovermental Penal on Climate Chane (IPCC) und Al Gore

2002 EU-Gebäuderichtlinie

2005 EU-weites Asbest-Verbot

 

 

 

2004 AgBB-Schema für Bauproduktzulassungen gültig

 

 

 

 

2009 Einführungen Klima Aktiv und DGNB-Zertifizierung

 

2010

2011 Atomunfall Fukushima

2010

Internationale Definition des 2-Grad-Zieles

2010 Überarbeitung der EU Energy Performance of Buildings Directive

 

 

 

 

2012 europ. Bauprodukteverein

 

Tab. 2: Historische Ereignisse und Ereignisse zur Entwicklung des Ökologischen Gedankens von 1990 – 2012[19]

 

[17] https://www.are.admin.ch/are/de/home/medien-und-publikationen/publikationen/nachhaltige-entwicklung/brundtland-report.html

[18] https://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/agenda_21.pd f

[19] Vorlage für Tabelle aus dem Vortrag von M. Aichholzer „Grundlagen – Geschichte“ vom 9.4.21 (S.11)

Im Jahr 1991 wurde in Deutschland das erste Passivhaus errichtet. Dies markierte einen Meilenstein in der Entwicklung energieeffizienter und umweltfreundlicher Gebäude. Das Gebäude, das als „Kranichstein Passive House“ bekannt ist, befindet sich in Darmstadt und wurde von den Architekten Bo Adamson und Wolfgang Feist entworfen.

Das Passivhauskonzept wurde von Wolfgang Feist entwickelt und zielt darauf ab, den Energieverbrauch für Heizung und Kühlung auf ein Minimum zu reduzieren. Es nutzt natürliche Ressourcen wie Sonnenenergie, Abwärme von elektrischen Geräten und Körperwärme der Bewohner. Das Passivhaus benötigt keine herkömmlichen Heizungssysteme, bietet jedoch ganzjährig einen angenehmen Innenraumkomfort.

Das Kranichstein Passive House verfügt über eine hochwirksame Wärmedämmung und eine effiziente Lüftungsanlage, die im Winter die Wärme im Gebäude hält und im Sommer überschüssige Wärme abführt. Durch den Einsatz von dreifachverglasten Fenstern und einer luftdichten Gebäudehülle wird der Wärmeverlust minimiert.[20]

Das Passivhaus in Kranichstein hat als Vorreiter für die Verbreitung des Passivhauskonzepts in Deutschland und weltweit gedient. Es war Modell für zahlreiche weitere Passivhäuser, die in den folgenden Jahren in Deutschland und anderen Ländern errichtet wurden.

Das Kranichstein Passive House war ein wegweisendes Projekt, das gezeigt hat, dass energieeffizientes Bauen nicht nur möglich ist, sondern auch ästhetisch ansprechende Gebäude hervorbringen kann. Es hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für nachhaltiges Bauen zu stärken und die Entwicklung energieeffizienter Gebäudestandards weltweit zu fördern.

[20] https://passipedia.org/examples/residential_buildings/multi-family_buildings/central_europe/the_world_s_first_passive_house_darmstadt-kranichstein_germany (Zugriff am 31.07.23)